Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitswesen gefährdet Leben der Patienten

Während andere Branchen seit Jahresbeginn einen intensiven Wettbewerb um Stellen verzeichnen, bleibt der Gesundheitsbereich die Ausnahme - hier herrscht akuter Personalmangel. Das kann fatale Folgen haben.

Zu diesem Ergebnis gelangt das Jobportal HeyJobs auf Basis von Daten, das es über einen eigenen Index erhoben hat. Dieser Index misst das Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitssuchenden.

"Die jüngsten Daten vom April 2024 zeigen, dass in fast allen großen Berufsfeldern Deutschlands ein starker Wettbewerb um Arbeitsplätze herrscht - mit Ausnahme des Gesundheitssektors. Hier stehen 116.160 aktive Arbeitssuchende 129.240 offenen Stellen gegenüber, was den gravierenden Personalmangel verdeutlicht", teilt das Unternehmen jetzt mit.

Tatsächlich zeichnen aktuelle Berichte und Studien ein düsteres Bild des Personalmangels im Gesundheitssektor. Die Allgäuer Zeitung etwa warnte unlängst vor kritischen Engpässen in Pflegeheimen und prognostizierte eine Verschärfung der Situation aufgrund demografischer Veränderungen.
 

Bis 2055 könnte die Zahl der Pflegefälle um 37 Prozent  steigen, während der Personalmangel bis 2049 zwischen 280.000 und 690.000 betragen könnte.

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates, betonte wiederum, dass aktuell rund 115.000 Pflegekräfte fehlen. Dieser Mangel werde sich "weiter verschärfen, nicht zuletzt wegen hoher Krankenstände unter den bestehenden Mitarbeitern", schreibt dazu HeyJobs.

Die Krise zu lösen, scheint schwierig. Denn um den Mangel an Fachkräften zu kompensieren, setzen viele Pflegedienste und Krankenhäuser auf Ersatz - und der besteht nicht selten aus unqualifiziertem Personal. Genau das aber gefährdet die Sicherheit und das Leben der Patientinnen und Patienten, wie US-Daten belegen.

Eine im Fachblatt Medical Care veröffentlichte Studie nämlich zeigt, dass der Ersatz von examinierten Krankenschwestern (RN) durch schlechter bezahltes Personal (z. B. staatlich anerkannte Krankenpfleger, nicht staatlich anerkanntes Hilfspersonal) in der Krankenhausversorgung der USA mit mehr Todesfällen, Wiedereinweisungen, längeren Krankenhausaufenthalten, geringerer Patientenzufriedenheit und höheren Pflegekosten verbunden ist.

Die Studie des Center for Health Outcomes and Policy Research (CHOPR) an der University of Pennsylvania School of Nursing (Penn Nursing) erscheint zu einer Zeit, in der Krankenhäuser aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen Schwierigkeiten haben, Krankenpfleger/-innen anzuwerben und zu halten.

„Krankenpfleger/-innen kümmern sich um die am schwersten erkrankten Patienten. Dabei steht viel auf dem Spiel. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ersetzung von Krankenpflegern durch andere Mitarbeiter gefährlich für die Patienten ist“, sagte die Leitautorin Karen Lasater, PhD, RN , Associate Professor und Inhaberin des Jessie M. Scott Term Chair in Nursing and Health Policy.

Die Forschenden untersuchten die Ergebnisse von über 6,5 Millionen Medicare-Patienten in 2.676 allgemeinen Akutkrankenhäusern in den USA. Sie fanden Folgendes heraus:

  • Selbst ein bescheidener Ersatz von Krankenschwestern in der Pflege ist mit schlechteren Patientenergebnissen verbunden . Eine Reduzierung des Anteils der Krankenschwestern um 10 Prozentpunkte war mit einer um 7 % höheren Wahrscheinlichkeit verbunden, im Krankenhaus zu sterben; außerdem mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Wiedereinweisung, einer längeren Krankenhausverweildauer und einer geringeren Patientenzufriedenheit.
     
  • Die Substitution der Pflege durch Krankenschwestern ist mit vermeidbaren Todesfällen von Patienten verbunden . Forscher haben geschätzt, dass es bei einer Reduzierung der Pflege durch Krankenschwestern in allen US-Krankenhäusern um 10 Prozentpunkte jährlich zu fast 11.000 vermeidbaren Todesfällen unter Medicare-Patienten kommen könnte.
     
  • Alternative Personalmodelle für Krankenhäuser bringen Krankenhäusern eine schlechte Kapitalrendite. Krankenhäuser, die Krankenschwestern durch Personal mit niedrigerem Lohn ersetzen, sparen kein Geld, da längere Krankenhausaufenthalte ihre Personaleinsparungen zunichte machen.

Für die Personaler von HeyJobs jedenfalls fällt das Fazit für Deutschland ernüchternd aus:

"Mit der alternden Bevölkerung und dem steigenden Pflegebedarf übersteigt die Nachfrage nach Gesundheitsfachkräften das Angebot bei weitem. Die Proteste und Forderungen von Gewerkschaften und Pflegekräften zeigen einen Sektor am Rande des Zusammenbruchs. Es ist dringend notwendig, die politischen Strategien zu überdenken und erhebliche Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur und die Personalentwicklung zu tätigen. Die Bewältigung dieses Mangels geht über das bloße Besetzen von Stellen hinaus - es geht darum, die Nachhaltigkeit der Gesundheitsdienste und die Würde sowohl der Patienten als auch der Gesundheitsdienstleister zu gewährleisten".


.Autor: Vlad Georgescu/ DGKL News


Original Paper:
 

Alternative Models of Nurse Staffing May Be Dangerous in High-Stakes Hospital Care

Lasater, Karen B. PhD, RN*,†; Muir, K. Jane PhD, FNP-BC*,†,‡; Sloane, Douglas M. PhD*; McHugh, Matthew D. PhD, JD, MPH, RN*,†; Aiken, Linda H. PhD, RN*,†. Alternative Models of Nurse Staffing May Be Dangerous in High-Stakes Hospital Care. Medical Care 62(7):p 434-440, July 2024. | DOI: 10.1097/MLR.0000000000001990 

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Der Anblick wird seltener: Fachpersonal im deutschen Gesundheitswesen wird rar. Symbolbild. Bildrechte:Getty Images/iStockphoto Fotograf:Halfpoint

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