Neuer Bluttest erkennt ALS, PSP und seltene Demenzformen

Forschende des DZNE zeigen in einer Studie mit 991 Erwachsenen, dass sich die häufigsten Formen von Frontotemporaler Demenz (FTD) sowie die Nervenerkrankungen Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Progressive Supranukleäre Blickparese (PSP) per Bluttest erkennen lassen.

FTD, ALS und PSP bilden ein Spektrum neurodegenerativer Erkrankungen mit überlappender Symptomatik, die durch Demenz, Verhaltensauffälligkeiten, Lähmungen und Schwund der Muskulatur, Bewegungsstörungen und andere schwerwiegende Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist. Hierzulande sind schätzungsweise bis zu 60.000 Menschen von einer dieser Erkrankungen betroffen. Damit sind sie zwar relativ selten, ihre Folgen für die Gesundheit gleichwohl gravierend.

„Keiner dieser Erkrankungen ist bislang heilbar. Und eine eindeutige Diagnose der molekularen Pathologie dieser Erkrankungen ist mit den bisherigen Methoden zu Lebzeiten gar nicht möglich, weil dafür Hirngewebe untersucht werden muss“, erläutert Anja Schneider, Forschungsgruppenleiterin am DZNE und Direktorin der Klinik für Alterspsychiatrie und Kognitive Störungen am UKB.

Diagnostische Marker

„Für die Entwicklung von Therapien bedarf es jedoch einer Diagnose der zugrundeliegenden Pathologie und der Möglichkeit, Patientinnen und Patienten nach der Art ihrer Erkrankung gruppieren zu können. Nur anhand einer solchen Stratifizierung können zielgerichtete und damit kausal wirksame Behandlungen getestet werden“, so Schneider weiter, die auch mit der Universität Bonn affiliiert ist. „Wir haben nun nachweisen können, dass sich eine PSP, die Verhaltensvariante der FTD sowie die überwiegende Mehrzahl der ALS-Erkrankungen mit der Ausnahme einer speziellen Mutation per Blut-Test erkennen lassen und auch ihre zugrundeliegende Pathologie.

Unsere Studie ist die erste, die dafür geeignete Biomarker gefunden hat.

Die Anwendung dürfte zunächst im Forschungsbereich und in der Therapie-Entwicklung liegen. Langfristig halte ich es aber für realistisch, dass diese Biomarker auch in der medizinischen Routineversorgung zur Diagnose genutzt werden. Hierzu sind aber weitere Studien erforderlich. Wichtig wäre es insbesondere, die Entwicklung dieser Biomarker im Krankheitsverlauf zu erfassen und zu ermitteln, wie frühzeitig sie ansprechen.“

Der neue Bluttest, der auf der Messung sogenannter Tau- und TDP-43-Proteine basiert, könnte entscheidende Indizien für eine Diagnose liefern. Besonders großer Bedarf besteht bei der hier untersuchten „verhaltensbedingten FTD“. Denn den Symptomen dieser häufigsten Variante der FTD können im Gehirn zwei verschiedene Pathologien – also abnorme Vorgänge – zugrunde liegen, die sich im Allgemeinen erst per Gewebeanalyse nach dem Tode unterscheiden lassen. Nur bei den wenigen Betroffenen, bei denen eine Erkrankung genetisch bedingt ist, kann eine Erbgutanalyse schon zu Lebzeiten Klarheit schaffen. Durch den Bluttest wird nun eine eindeutige Diagnose zu Lebzeiten selbst dann möglich, wenn keine Mutation vorliegt. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass neue Therapien gegen diese verschiedenen Pathologien von FTD in klinischen Studien überhaupt getestet werden können.

Das Verfahren bedient sich eines besonderen Kniffs: Erfasst werden nämlich keine Proteine aus dem Blutplasma; diese Messwerte entpuppten sich als nicht aussagekräftig – insbesondere, weil Tau-Proteine, die im Blut frei herumtreiben, meist beschädigt sind. Stattdessen ermittelte das Team um Schneider die Konzentrationen von zwei verschiedenen Tau-Formen beziehungsweise von TDP-43-Proteinen, die in sogenannten Vesikeln enthalten waren. Dies sind winzige Fettbläschen, die von Körperzellen abgesondert werden und letztlich in den Blutstrom gelangen können. Durch mehrstufige Präparation, die unter anderem eine Zentrifugierung der Blutproben beinhaltete, konnten die Forschenden die in Vesikeln vorkommenden Eiweißstoffe erfassen.


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Die im Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlichten Befunde beruhen auf der Messung bestimmter Eiweißstoffe im Blut. Dabei dienen die Proteine als sogenannte Biomarker. An den Untersuchungen waren auch das Universitätsklinikum Bonn (UKB) sowie weitere Forschungseinrichtungen in Deutschland und Spanien beteiligt. Symbolbild. Credits: Pixabay

Die im Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlichten Befunde beruhen auf der Messung bestimmter Eiweißstoffe im Blut. Dabei dienen die Proteine als sogenannte Biomarker. An den Untersuchungen waren auch das Universitätsklinikum Bonn (UKB) sowie weitere Forschungseinrichtungen in Deutschland und Spanien beteiligt. Symbolbild. Credits: Pixabay